SpielWiSe 2020/2021
Kurznachrichten, 03.10.2020
Freund [19:03] Hey, lass mal hören, wie is es in der neuen Stadt?
Ich [19:10] ach ja, Karlsrutsche ist schon nice
Freund [19:11] wo wohnst denn
Ich [19:11] Fest-Stadt
Freund [19:11] cool
Freund [19:12] hast dus weit zur uni?
Ich[19:15] Ist schon ne Strecke aber Öffis sind super. Es geht halt überall und in jede richtung bergab. deswegen sind hier auch überall Schienen für Straßenrutschen verlegt
Freund [19:18] wo studierst nochmal?
Ich [19:18] An der HfG
Freund [19:19] ?
Ich [19:20] Stattliche Hochschule für Gestalten
Tagebuch, 06.10.2020
Hab mich heute so richtig offiziell immatrikuliert. Übernächste Woche ist die Einführungsveranstaltung vom Fachbereich. Danach noch Sicherheitsbelehrung, aber ist halt vorgeschrieben in allen spukenden Gebäuden.
Brief, 25.10.2020
Lieber Brieffreund,
mein guter Vorsatz, dass ich Dir gleich am ersten Tag hier schreibe, hat sich mal wieder um drei Wochen verschoben. Das Gute daran: Ich kann dir jetzt von der Erstiveranstaltung meines Fachbereichs erzählen.
Als ich an der Hochschule angerutscht kam und das Gebäude betrat, war alles wie ausgestorben. Ich dachte schon, ich hätte mich im Tag geirrt, da sah ich auf dem Boden die kleinen schwarzen Pfeile. Ich folgte also dem nach links führenden Pfeil, der mit „Erstiveranstaltung KD“ beschriftet war. Der schmale Flur endete an einer kleinen Tür: Ich betrat einen dunklen Raum mit 13 Stühlen auf denen teilweise schon meine Kommilitonen warteten. Keiner traute sich etwas zu sagen. Um etwa viertel nach neun öffnete sich eine weitere Tür und jemand bat uns herein. Einer nach dem anderen betraten wir ahnungslos den grell erleuchteten Laufsteg. Unter goldenem Konfettiregen schritten wir irritiert über den für uns ausgerollten roten Teppich. Alle Dozenten und Studenten höherer Semester jubelten uns zu. Am Ende des Laufstegs standen zwei Professoren und drückten jedem von uns ein Hochschul-Survival-Kit in die Hand. Später habe ich mal reingeschaut: Stadtplan, Kletterausrüstung, Software-Lizenzen, Geister-Sprays, „Inspirations-Kekse“ und sowas.
Den Rest des Tages haben wir dann Kennenlernspiele gespielt – so viele „Details“ wollte ich über meine Profs eigentlich gar nicht wissen, aber wir haben viel gelacht. Die anderen Erstis scheinen alle echt cool drauf zu sein. Eine hat auch Fotos von ihrer Mappe gezeigt. Es ging um Herdenintelligenz als Gegenentwurf zu Schwarmintelligenz (Sie ist selbst ein Centaur). Ein anderer Kommilitoner hat sogar zwei Mappen abgegeben, weil er zwei Gesichter hat.
Vorgestern wurde uns dann noch die Sicherheit des Gebäudes vorgestellt. Sie ist sehr nett nur leider ein bisschen tollpatschig. [...]
Tagebuch, 02.11.2020
Heute haben wir unseren Stundenplan mit den Pflichtfächern fürs Orientierungsjahr bekommen. Klar, da ist viel Grundlagen- und Einführungszeug dabei, ist bei dem Gebäude auch nötig. Für die Lichthöfe, zum Beispiel, gibt es einen eigenen Kurs: Einführung ins Fotostudio (das ist lateinisch für Lichthöfe). Ich bin schon an ihnen vorbeigelaufen. Das sind gigantische mehrschichtige grüne Algenfelder. Die Fotosynthesefabrik der Hochschule. Die reinigen die Luft, werden an Lebensmittelhersteller verkauft und liefern die Lebensgase fürs Biodesignlab.
Bei Know Your Tools sollen wir dann lernen, mit den Sachen aus dem Hochschul-Survival-Kit umzugehen. Tja, schade, dass es hier drin kaum Treppen gibt aber, die meisten könnten sie ja sowieso nicht nutzen, wenn ich da zum Beispiel an meine Mitstudenten Lamia und Meermann denke... Dann muss halt doch die Kletterausrüstung taugen.
Und Mathe gehört auch dazu in KD (Künstliche Daseinsformen). Nur wird, anders als in der Schule, weniger mit Zahlen als viel mehr mit Buchstaben gerechnet werden in T1Y1P1O1G1R1A1P1H1I1E1 und T2Y2P2O2G2R2A2P2H2I2E2 nächstes Semester.
Auch wenn es ziemlich altmodisch wirkt, auf die Webwerkstatt freue ich mich!
Klebezettel
Bibliotheksausweis
ausstellen lassen
Tagebuch, 25.11.2020
In der Webwerkstatt arbeite ich gerade an einem Schal der Schalgeschichte. Mein Dozenter meinte, ich solle mir dafür mehr historischen Input besorgen und ich hab vorgeschlagen, dass ich doch einfach mal im Archiv nachsehen könnte. Es wurde still und er sagte nur, dass ich mich lieber nicht allein in die Katakomben aufmachen sollte. Dschinn rief sofort: „Dann komm ich auch mit!“. Also dachte ich mir, ok cool, klingt spannend. In der Tür hat Sphinx uns noch ein Wollknäuel zugeworfen und gesagt: „Nicht den Faden verlieren.“ Ich versteh eigentlich nie, was sie sagen will.
Wir sind dann also runter in die Archivkatakomben. Sie bestehen aus alten Kunstwerken, die an der Hochschule entstanden sind oder im Museum ausgestellt wurden. Es gibt keine Regale, die Sachen sind einfach aufeinander gestapelt und bilden ein enges Netz aus Kunstwänden. Auch die Decke und der Boden sind nur clever verzahnte Werke. Es wäre eine Untertreibung, es als Keller der HfG zu bezeichnen, es ist eher der Keller von Karlsrutsche, vermutlich, denn keiner weiß mehr so genau, wie weit sich die Gänge erstrecken, geschweige denn wie tief.
Wir streiften durch die Kunst, von Teppichen noch keine Spur, als ein Windhauch unsere Fackeln löschte – am Eingang steht ein Fackelautomat, der mit Münzeinwurf oder Chipkarte funktioniert. „Da ist doch jemand.“, stellte Dschinn fest. Und tatsächlich: einige Kreuzungen später stolperten wir über einen gigantischen Rucksack einer vergleichsweise kleinen Person. Ich würde ja gerne sagen, dass ich selbstverständlich keine Angst hatte, aber wir haben alle drei kurz aufgeschrien. Die Situation hat sich glücklicherweise schnell aufgeklärt. Polo ist Schatzsucher und hat sich vor einigen Jahrzehnten im Archiv verlaufen. Wir fragten ihn nach Schals und tatsächlich konnte er uns eine Stelle mit einer kleinen aber feinen Auswahl gestrickter Kunst zeigen. Wir durchwühlten den Stapel aus Schals sehr gemischter Qualität. Da funkelte ein Zipfel golddurchwirkten Stoffes zwischen dem Ramsch hervor: Das war doch nicht etwa der Krönungsschal von Kaiser Schalfons III? Er ist nicht nur bekannt für sein exquisites Material, sondern vor allem für seine atemberaubende Länge von 64 Metern. Ich begann vorsichtig, das wertvolle Stück aus dem gigantischen Knoten herauszuziehen, doch nach etwa 17 Metern blieb er stecken. Polo und Dschinn packten mit an und mit vereinten Kräften gelang es, uns selbst den Boden unter den Füßen weg zu ziehen, der, wie wir nun feststellen mussten, zu einem Großteil aus eben diesem Schal bestand.
Haltlos krachten wir durch Schicht um Schicht. Ich glaubte schon, endlos im Kreis herum zu fallen, da kam der ersehnte Aufprall, glücklicherweise abgefedert durch Polos Rucksack. So viel zum Thema Wollknäul. Und nun? Wir versuchten eine Zeit lang vergeblich wieder einige Stockwerke hinaufzuklettern, doch die Konstruktion aus Kunstwerken fiel immer wieder über unseren Köpfen zusammen. Wir streiften ratlos durch die Gänge als Dschinn an einer übergroßen, geschraubten Skulptur schweben blieb. Ihr war eine rettende Idee gekommen: wenn wir nicht mehr nach oben kamen, führte unser Weg vielleicht nach unten.
Automatisch transkribierter Telefonmitschnitt, 26.11.2020, 12:31
Stattliche Hochschule für Gestalten, Janus hier, guten Tag. –
Hallo Janus. Äh. Ich bins. Mit Dschinn und Polo. Erklär ich dir später. Äh. Könnt ihr uns abholen. –
Ja, öh, klar. Mann bin ich froh, von Euch zu hören. Wo seid ihr denn? –
Neuseeland. –
So tief ist dieses Archiv also! Ich habs immer –
Nicht ganz. Den Rest haben wir mit so ner Art improvisierter Tunnelfräse. Ist ja auch egal. Könnt ihr uns abholen? –
Hm, ja, ich frag mal bei ADSZ nach, ob die ihr BeFO* grade brauchen. –
Super, danke. –
Das wird schon. Ich meld mich nochmal. Bis gleich. –
Bis gleich. Danke.
*BeFO = Bekanntes Flugobjekt
Kurznachrichten, 08.12.2020
Dschinn [13:06] Wo bleibst du?
Dschinn [13:22] ??
Ich [13:23] hab mich verlaufen D-:
Dschinn [13:24] Auf dem Weg zur Toilette??
Ich [13:24] auf dem Rückweg
Dschinn [13:26] hats wenigstens geholfen
Ich [13:26] Jep
Ich [13:29] „To speak is to commit tautologies.“
Ich [13:30] Ich liebe die Sprüche auf dem Klopapier!!
Ich [13:37] help
Dschinn [13:37] was
Ich [13:38] bin immer noch lost
Dschinn [13:40] wie sieht es in deiner Umgebung aus?
Ich [13:42] Die Gänge sind iwi rund, mit schwarzweißen mustern bemalt und drehen sich
Dschinn [13:43] Dann bist du mind fünf Stockwerke zu hoch!
Dschinn [13:44] Geh nach norden und halt dich im Spiegellabyrinth links
Ich [13:44] oh
Ich [13:44] ok
Ich [13:45] thanks
Kurznachrichten, 10.01.2021
Dschinn [16:42] Hast du dich jetzt eig für diesen Kurs beim Biodesignlab angemeldet
Ich [16:43] ne. weiß nichmal was das sein soll
Dschinn [16:43] schade
Dschinn [16:43] komm schon, wird sicher cool
Ich [16:44] wer macht n das
Dschinn [16:45] machen glaub Studis. gehört zu PD
Ich [16:46] was hat das denn mit Positivem Denken zu tun
Automatisch transkribierter Audiomitschnitt aus der Medienwerkstatt, 17.12.2020, 10:19
Vorsicht, du läufst gleich in mich rein. –
Wohow! Wer hat das gesagt? –
Äh, ich. Hallo. Siehst du mich nicht? –
Nee. Sollte ich? –
Hast du die visuelle Repräsentation anderer Personen im Raum deaktiviert? –
Keine Ahnung. –
Das erste mal im virtuellen Raum unterwegs? –
Ja. Sorry. –
Kein Problem. Also jetzt geh erst mal ins Menü und aktiviere die Box in der unteren Nordost-Ecke. Ok, siehst du mich? –
Ja, vielen Dank! –
Kein Ding. Das kann ziemlich verwirrend sein am Anfang. Also wenn du hiermit irgendwie Hilfe brauchst, kannst du mich gerne fragen. –
Cool, Danke. Woran arbeitest du denn gerade? –
Ich arbeite gerade an der visuellen Darstellung von Standbildern aus Träumen. Das ist für so ein Projekt mit einem Gerät, das zeichnet Träume auf und soll sie abspielen und zwar am besten als echte VR-Filme, die man dann auch an beliebigen Stellen anhalten kann und in den Standbildern rumlaufen. Also das ist das Ziel. –
Wow. Das ist. Krass. Studierst du Magiekunst? –
MK ist mein Nebenfach. Danke. Na ja bisher funktioniert das nur mit Personen auf die das Gerät trainiert ist. Und es eignen sich nicht alle Träume dafür. Es muss schon ein ziemlich plastischer und bewegter Traum sein, damit wir auch echt 360 grad Bilder haben. Aber, ja, hoffentlich wird’s krass.
Tagebuch, 10.01.2021
Jetzt habe ich mich doch noch für den Kurs vom Biodesignlab (BDL) angemeldet. Dschinn hat mich überredet. Sie hat erzählt, dass es als Kooperationsprojekt von PD und ASDZ entstanden ist – ne ADSZ, verdammt warum sag ich das immer falsch: Außerirdisch-Irdische und Diesseits-Jenseits synergetische Zusammenarbeit, ist das denn so schwer!
Jedenfalls ist das BDL eine Art Labor in dem Experimente mit selbst gemachtem Leben durchgeführt wurden. Vor allem Verhalten und Sozialstrukturen der kleinen synthetischen Lebensformen wurden beobachtet. Um zu sehen, wie Leben auf die Modelle, die in der Modellbauwerkstatt von ASZD entstehen, reagieren, wurden sie in diese unbekannte Umgebung gesetzt. Als das Ethikrad davon Wind bekommen hat, wurde das ganze Projekt natürlich sofort gekippt.
Die Forschungsinteressen werden jetzt praktisch ausschließlich mithilfe von Computersimulationen verfolgt. Es hat sich mittlerweile aber eine kleine Gruppe Studierender zusammengeschlossen, überwiegend Künstliche Intelligenzen, die eine erneute Prüfung fordern, um festzustellen, ob es sich bei den Simulationen noch um einfache Programme oder schon um elektronische Lebensformen handelt.
Klebezettel
Traumtagebuch nebens Bett legen
Und Stift!!
Brief, 19.01.2021
[…] ich denke, ich kann mit Fug und Recht behaupten: Wenn die Bibliothek des ZKM (Zauberkunstmuseum) ein Buch nicht hat, dann existiert es auch nicht – kann gar nicht existieren. „Gut sortiert“ ist aber etwas anderes.
Weil ich für ein Seminar ein Buch brauchte, habe ich neulich zum ersten Mal die Bibliothek betreten. Ich stand in einer großen sechseckigen Halle, an vier Wänden standen je fünf Bücherregele, auf der gegenüberliegenden Seite war ein Durchgang zum nächsten Raum – der exakt so aufgebaut war wie der erste. Und dahinter noch einer und darunter noch einer und noch einer und immer so weiter. Keine Register, keine Schilder, keine Beschriftungen. Ich nahm ein Buch aus dem Regal und schlug es auf: „dbf hjbugle e fncm bhv lajsiuz ebvzxuow bmnsg daksek rz eanvdfszd o time thy pyramids fguze wv h j msdg fvz uw“ und immer so weiter. Auch in den anderen Büchern war nur unverständlicher Buchstabensalat zu finden.
Ich fragte einen der herumschwirrenden Bibliothekare nach der gesuchten Lektüre. Er erklärte mir, dass jedes Buch dieser Länge, in dieser Bibliothek stand. Das Buch, das ich suchte war vor kurzem entliehen worden, doch das machte nichts, denn auch wenn von jedem Buch nur ein Exemplar existierte, gab es eine riesige Anzahl fast identischer Bücher, die sich beispielsweise nur um ein Komma von dem gesuchten unterschieden. Ich könne gerne danach suchen, sagte er, aber sortiert seien die Büchern nicht.
Naiv habe ich mich also auf die Suche begeben. Aber das einzige, was ich fand war ein versteinertes Buch mit einem Ammoniten darin irgendwo zwischen dem 40. und 50. Untergeschoss. Ich habe es einem befreundeten Studi aus der KuPhi und MeWi mitgebracht, die freuen sich immer über sowas (das ist der Fachbereich für Kulturelle Phielfalt und Mesozoische Wiederentdeckungen). Außerdem habe ich mir von einer Bibliothekarin noch ein paar verletzte Bücher mitgeben lassen für den Blockkurs Buchverbinden. […]
E-Mail, 28.01.2021
Liebe Kursteilnehmer,
da letztes Mal alle ihre „ungestörte“ Lebenssimulation abgeschlossen haben, möchte ich Euch nochmal daran erinnern, Euch einen spannenden Parameter für die Simulation mit „Herausforderung“ zu überlegen (Wenn Ihr das noch nicht getan habt).
Es kann alles sein, was Euren simulierten Wesen das virtuelle Leben schwer genug macht, dass wir erwarten können eine Anpassung zu beobachten, egal ob in Form von biologischer oder kultureller Evolution.
Viel Spaß beim Nachdenken, nächstes Mal werden wir Eure Ideen besprechen.
LG
Kurznachrichten, 01.02.2021
Dschinn [01:01] Noch wach?
Ich [01:15] Nope
Dschinn [01:16] Hast du schon ein Projekt fürs Biodesignlab
Ich [01:17] Nope
Dschinn [01:18] auch gelogen?
Ich [01:18] Nope
Ich [01:18] hab echt noch kein plan
Dschinn [01:20] Hast du mitbekommen was centaur macht?
Ich [01:21] War das diese sache mit dem gelöschten selbsterhaltungs code
Dschinn [01:22] Jep
Ich [01:22] igitt
Dschinn [01:22] Jep
Ich [01:26] ich hab mal über naturkatastrophen nachgedacht
Ich [01:28] aber das ist halt nur einmal flaschenhals und kein anhaltender selektionsdruck
Dschinn [01:29] true
Dschinn [01:32] die Umgebungsfarben ändern?
Ich [01:32] lol
Ich [01:33] dann ändern die halt auch ihre farbe
Dschinn [01:33] ok, stimmt
Ich [01:37] man könnte was mit dem wetter machen
Ich [01:37] aber langfristig
Dschinn [01:39] wow, also Klimawandel. Ham wir davon nicht in echt schon genug
Ich [01:40] stimmt schon
Dschinn [01:45] oder eine neue Spezies?
Ich [01:47] was hat das dann mit unseren lebewesen zu tun
Dschinn [01:48] ein Fressfeind?
Ich [01:48] ja vielleicht
Ich [01:53] oder ein bazillus
Dschinn [01:54] JA
Dschinn [01:54] Das ist Gut
Ich [01:55] ein echtes computervirus lol
Dschinn [01:58] Lust zusammen zu arbeiten?
Ich [01:59] ja voll gern
Dschinn [02:00] Yay :)
Klebezettel
Nicht vergessen:
Sicherheit belehren!
Traumtagebuch, 02.02.2021
Ich war irgendwie in einem Seminarraum an der Hochschule aber irgendwie auch nicht. Jeder saß in seinem eignen Kasten. Ich habe von meinen Kommilitonen nur die Köpfe und Schultern gesehen und jeder war anders beleuchtet. Wir saßen die ganze Zeit nur in diesen Kästen und haben uns gar nicht bewegt. Dschinn kam noch nicht mal aus ihrer Lampe raus. Später habe ich dann nur noch ihre Stimmen gehört.
Tagebuch, 08.02.2021
Wir waren auf dem Weg zu Metalwerkstatt, als wir aus der Eingangshalle einen Schrei hörten. Wir rannten sofort zurück und fanden einen schwankenden Gabelstapler. Er stand auf den Gabeln eines weiteren Gabelstaplers, der wiederum auf den Gabeln eines dritten stand und so weiter. Im siebten und letzten Gabelstapler, der auf dem Boden stand, saß die Sicherheit. Lächelnd versicherte sie uns, wir müssen uns keine Sorgen machen, wir haben vermutlich ihren Schrei gehört, als der Stapler fast heruntergefallen wäre, aber der stehe jetzt wieder sicher. Fassungslos standen wir da. Bis Dschinn sich berappelte und die Sicherheit belehrte, wie man eine Papiergirlande mit einem weniger halsbrecherischen Vorgehen aufhängt.
Nach diesem Schreck bei unserem ursprünglichen Ziel, der Metalwerkstatt, angekommen, machten wir erstmal einen Soundcheck mit den E‑Gitarren. Der funktionierte noch reibungslos. Wir starteten die Aufnahme, doch als ich gerade den ersten Akkord spielen wollte, fing das Mischpult an zu husten. Die Gitarre klang wie ein Eierschneider. Auch nach mehreren Neustartversuchen und umgesteckten Kabeln war den elektronischen Instrumenten kein sauberer Klang zu entlocken. Es war schon spät und der Synthesizer hatte auch noch Temperatur bekommen. Morgen werden wir es einem der Hausgeister melden, heute war keiner mehr da.
Kurznachrichten, 09.02.2021
Dschinn [19:21] aaaaaaaaaargh
Ich [19:32] ?
Dschinn [19:33] Ich halte meinen Mitbewohnerer nicht mehr aus.
Dschinn [19:34] jeden Tag wirft er mir vor, was ich im Haushalt alles falsch mache
Dschinn [19:34] Der hat sie doch nicht mehr alle mit seinem Putzwahn
Ich [19:38] nah, wie ätzend
Dschinn [19:40] ich glaub ich muss mir doch wieder ein anderes Zimmer suchen
Ich [19:42] also falls dus bei dir nicht mehr aushältst kannst du auch immer mal ne nacht bei mir pennen
Dschinn [19:43] danke
Dschinn [22:24] alter, ich versuche hier zu schlafen und der hört nicht auf um meine Lampe rum zu putzen
Dschinn [22:55] ok jetzt reichts
Dschinn [22:56] er hat meine Lampe RUNTER GEWORFEN
Dschinn [22:57] ist mir egal ob das ein versehen war oder ihm der staubwedel ausgerutscht ist
Dschinn [23:17] kann ich rüber kommen
Ich [23:28] klar
Dschinn [23:32] cool, bis gleich
Automatisch transkribierter Audiomitschnitt aus der Medienwerkstatt, 11.02.2021, 02:11
Fuck fuck fuck fuck fuck fuck FUCK –
Reg dich ab! Das wird schon alles. –
Wir haben die VERFICKTE ELEKTRONIK der HALBEN FUCKING HOCHSCHULE lahmgelegt, Dschinn! –
Das weiß ich selber, du musst aus einem kleinen Elefanten keinen großen Elefanten machen. –
FUCK. Wie konnte unser Programm überhaupt von unserer Simulation im Biodesignlab auf das Hochschulnetz überspringen? –
Keine Ahnung, schätze, das ist halt was Computerviren machen. Zeug infizieren. –
Das macht doch keinen Sinn! –
Ist doch egal jetzt. Ab in den virtuellen Raum jetzt und machen wir uns erstmal ein Bild von der Lage. –
Wir sollten das doch lieber den Hausgeistern melden, das ist einfach ne Nummer zu groß für zwei Erstis –
Jetzt stell dich nicht so an. Das ist unser Virus, dann übernehmen wir auch die Verantwortung dafür. Wir sind doch jetzt erwachsen, nich? –
Ja ok. Warte. –
Was? –
Wir können da doch nicht einfach rein gehen? –
Warum? –
Was wenn wir uns anstecken? –
DEIN ERNST JETZT? Bestehst du aus Schaltkreisen oder was? –
Ach so, stimmt, sorry, hatte ich vergessen. –
Genie! Und jetzt mach schon. –
Oh holy … das hat sich ja rasend ausgebreitet –
Wir könnten die Verbindungen unterbrechen, alles ausstecken. –
Das ist doch aussichtslos, Dschinn. Das schränkt doch nur unseren virtuellen Bewegungsradius ein. –
Aber irgendwas müssen wir doch machen. –
Das bringt doch nichts, es breitet sich viel zu schnell aus. Unsere Lebewesen in der Simulation haben ja auch nichts machen können, bis sie das Medikament hatten. –
JA! –
Ja, ziemlich scheiße. –
Nein. Ja: das Medikament aus der Simulation! –
Hä? Das hab ich grade gesagt. –
Mann, wenn wir das Medikament aus der Simulation isolieren, können wir damit vielleicht die infizierten Teile des Hochschulnetzes heilen. Wir müssen nur die richtigen Zeilen im Code finden. –
Ja. Dschinn, manchmal bist du echt brillant. –
Manchmal? Ohne mich wärst du doch komplett lost hier.
Tagebuch, 11.02.2021
Ich glaube, wir haben die Hochschule gerettet. Wir haben davor auch das IT-System abgefuckt. Zum Glück habe ich einen kühlen Kopf bewahrt. Wer solche Mitbewohner hat …
Klebezettel
Ds Lampe löten